Medienpräsenz Interessante Artikel - 30.05.2010

Blick: Muslime fordern das "Wort zum Freitag" am Schweizer TV

Blick.ch, 30.5.2010

Die Muslime in der Schweiz wollen Sonderrechte. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf lehnt das ab. Und das Ganze heisst: Muslim-Dialog.

Von Hannes Britschgi, Philippe Pfister und Marcel Odermatt

Sie sei von ausgesuchter Höflichkeit. So aufmerksam. Und könne wunderbar zuhören. Farhad ­Afshar (68), Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), gerät ins Schwärmen, wenn er von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf spricht. Er und die Justizministerin sitzen regelmässig an einem Tisch, gemeinsam mit weiteren Vertretern muslimischer Organisationen. Titel der Veranstaltungen: Muslim-Dialog. Der nächste ist für Ende Juni anberaumt. Im Bundeshaus West.

Die Gespräche mögen im Ton höflich sein – in der Sache sind sie pickelhart. Widmer-Schlumpf hat eine klare Botschaft für die Mus­lime: Es gibt in der Schweiz keine Extrawurst, keine Sonderrechte. So etwas komme nicht in Frage.

«Das Wort zum Freitag»

Die BDP-Bundesrätin wird noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen. Denn die Muslime haben eine lange Wunschliste mit Sonderregelungen aufgesetzt. Dr. Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen der Schweiz (FIDS), nennt als Fernziel, dass Muslime als normale Bürger anerkannt und geachtet werden. Dazu aber brauche es sowohl konkrete Schritte als auch symbolische Zeichen.

Zum Beispiel Sendezeit für muslimische Anliegen im Schweizer Fernsehen. Neben dem christlichen «Wort zum Sonntag» schwebt Maizar als islamisches Äquivalent ein «Wort zum Freitag» vor. Dies, so glaubt er, sei «eine konstruktive Idee und der ­Integration förderlich».

SonntagsBlick weiss: Die islamischen Teilnehmer des Muslim-Dialogs haben sich auf konkrete Ziele verständigt, die sie der Bundesrätin abringen wollen. Besonders dringend sei die Friedhofsfrage, ge­nauer: Grabfelder für Muslime. Widmer-Schlumpf soll sich als Vermittlerin gegenüber den lokal Zuständigen dafür einsetzen. Wenn heute ein eingewanderter Muslim sterbe, müsse der Leichnam ausgeflogen werden, damit er «unseren religiösen Traditionen entsprechend» bestattet werden könne, sagt Maizar dazu.


Eine weitere Forderung betrifft die Moscheen. Gebetsräume in abgelegenen Industriezonen, zwischen «Mülldeponien eingezwängt», verletzten die muslimischen Ansprüche an Würde und Respekt. Die Teilnehmer des Muslim-Dialogs wünschen deshalb angemessenere Plätze.

Kein Kopftuchverbot

Störend finden die Muslime auch das Kopftuchverbot für Schülerinnen in manchen Kantonen, ebenso das Kopftuchverbot am Arbeitsplatz. Der Bund soll in diesem Punkt eine Vorreiterrolle übernehmen und seinen Angestellten das Kopftuch gestatten. Generell sei nicht nur die öffentlich-rechtliche Anerkennung der islamischen Glaubensgemeinschaft vonnöten, sondern «ein Rechtsrahmen für die Muslime in der Schweiz», ist Hisham Maizar überzeugt.

Damit steht er zwar im absoluten Widerspruch zur Justizministerin. Die aber gibt sich diplomatisch: «Bis jetzt sind die Ziele unserer Gesprächspartner noch nicht ganz kongruent» (deckungsgleich). Dass ihr die Muslime entgegenkommen, ist kaum zu erwarten. «Ich werde mich für diese Anliegen einsetzen», betont Halit Duran, Präsident des Verbandes Aargauer Muslime.

Falsche Leute?

Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, kritisiert offen, Eveline Widmer-Schlumpf sitze mit den falschen Leuten am Tisch. «Am Islam-Dialog sind maximal 15 Prozent aller Muslime in der Schweiz vertreten. Die meisten Muslime, die hier leben, teilen die wertkonservativen Ansichten der Verbände nicht. Die Diskussionsrunde müsste geöffnet werden.»

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